Zeugnis

Wochenende der Erkenntnis

Ein Einkehrwochenende im Foyer Charité sollte es sein. Einfach mal ein paar Tage weg aus dem Alltagstrubel. Zeit nehmen und Zeit haben. Für Jesus. Für meinen Glauben. So habe ich schon vor Monaten das Wochenende gebucht und bin ohne besondere Erwartungen hergekommen. „Es wird halt schön ruhig werden“ habe ich mir gedacht. Doch ein paar Tage vor Beginn des Einkehrwochenendes hat sich eine unbestimmte Aufregung in mir breit gemacht. Ich hab nicht recht gewusst, warum ich eigentlich aufgeregt war. Am Freitag am Abend werde ich aufgenommen und genieße die Zeit der Ruhe und der Besinnung. Ich genieße das Schweigen, das für mich nicht ein „Schweigen müssen“ sondern ein „Schweigen dürfen“ ist. Ich brauch nichts sagen. In Zeiten wie diesen ein unbeschreibliches Geschenk, das mir Gott gibt. Ich bin glücklich und zufrieden und füge mich schnell in den Ablauf des Foyer für das Wochenende ein.

Damit wären meine Erwartungen für das Wochenende schon erfüllt gewesen. Doch es soll ganz anders kommen.

Samstag am Vormittag gibt es einen Vortrag. Die 8 Seligpreisungen aus der Bergpredigt. Ich denke mir mich noch, dass ich das eh kenne und ich wohl nichts Neues lernen werde.

Und dann schenkt mir Gott ganz unerwartet Einsicht und Erkenntnis. Als der Vortragende die erste Seligpreisung darlegt und ich noch zu mir sage, dass kenne ich eh, das ist doch die Seligpreisung der Armen im Geiste, überrollt mich mit unfassbarer Wucht die Erkenntnis, was die erste Seligpreisung, so wie sie im Vortrag erklärt wurde, wirklich bedeutet.

Diese Seligpreisung ist nichts anderes als die Beschreibung von Gottes Wirken und Gottes Güte in meinem Leben.

Wie konnte ich das nicht sehen?

Vor 10 Jahren hat sich mein Leben dramatisch geändert. Unerwartet und plötzlich verliere ich den mir am nächsten stehenden Menschen. Einfach so. von einem Tag auf den anderen. Nichts bringt ihn mir wieder zurück. Kein Klagen. Kein Fluchen. Kein Flehen und kein Beten.

Und ich nehme es Gott übel. Sehr übel sogar. Wieso mir? Wieso. Und ich bekomme keine Antwort. So glaube ich. Dabei war die Antwort da. Ich habe sie aber nicht gesehen. Weil mein Blick getrübt war von Wut und Zorn. Und ohne Antwort auf meine Fragen stürze ich mich ins neue Leben. So glaube ich jedenfalls. Weg von Gott. Hin zum Vergnügen. Und beschließe, nichts auszulassen, keine Gelegenheit, keine Party. Ich arbeite hart, verdiene viel Geld, welches mich nicht glücklich macht. Ich fahr große teure Autos, die mich nicht glücklich machen. Ich reise durch die Welt, was mich nicht glücklich macht. Ich nehme jede Frau, die ich will, ohne dass es mich glücklich macht. Ich versinke in Fluten von Alkohol, betäube mich, ohne dass es mich glücklich macht. Ich betäube mich.

Ich lebe in tiefster Finsternis. Ohne Licht und ohne Hoffnung. Ohne Gott. Ich wende mich von Ihm ab. Soll Er doch sehen, was Er davon hat, dass Er mir das angetan hat. Was hat Er denn schon für mich getan? denke ich mir immer. Alles, was ich habe, habe ich mir selber erarbeitet, die Studienabschlüsse, die Karriere, das Auto, die Parties, die Reisen, die Frauen. Alles durch mich. Nichts durch Gott.

Ich war böse auf Ihn. Und Er war trotzdem bei mir. Die ganze Zeit. In all meinen Sünden und Fehlern. Ich war voller Wut und Zorn und hab nichts verstanden und Ihn nicht gesehen.

Dann werde ich krank. Wirklich krank. Und die Krankheit ist nicht weggegangen. Sie ist gekommen, um zu bleiben. Und ich wurde noch böser auf Gott. Wieso tut Er mir das alles an?

Und keiner hat mir erklären können, was die letzten 10 Jahre mit mir geschehen ist. Kein Wunderheiler, kein Psychotherapeut, nichts konnte meinen Schmerz lindern. Der Schmerz, der letztlich darin bestand, nicht verstehen zu können, warum das sein musste.

Und dann höre ich die erste Seligpreisung. Ich höre die Erklärung im Vortrag und plötzlich macht alles Sinn. Alle Fragen der letzten 10 Jahre werden beantwortet. Auf einmal. Ohne Vorwarnung. Gott schenkt mir Unwürdigem alle Antworten auf all meine Fragen. Er erklärt mir mein Leben und warum es so verlaufen ist. Keine Frage bleibt unbeantwortet. Im Bruchteil einer Sekunde ist mir alles klar.

Alles was geschehen ist, ist deshalb geschehen, um mir zu helfen. Ich glaubte, ohne Gott leben zu können. Ich hatte mich abgewandt. Ich war stolz und hochmütig. Und trotzdem wollte Gott mir helfen. Ich war nur zu blind, es zu erkennen. Gott machte mich „arm durch den Geist“, damit Er mir das Himmelreich schenken kann. Deswegen musste es so sein, dass Er mir das nahm, was ich liebte und mich dadurch arm machte. Ich konnte dieses Geschenk nicht annehmen.

Da verstand ich, dass die Krankheit eine Gnade Gottes ist, die Er mir erweist. Er macht mich neuerlich „arm durch den Geist“, um mir Seine Liebe auf ewig zu schenken. Gott lässt mich krank werden, arm an Gesundheit. Die Armut ist die Voraussetzung für den Lohn, den ich erhalte werden. Das Himmelreich.

Jetzt nach diesem Wochenende macht alles Sinn. Der Verlust vor 10 Jahren, die Krankheit. Alles fügt sich. Ich verstehe den Verlust von damals als ein unermessliches Gnadengeschenk. Jetzt, nach dem Einkehrwochenende ist mir das klar. Erst jetzt. Die Krankheit, die ich bisher verfluchte, nehme ich voller Demut und Dankbarkeit an. Dankbar, dass Gott mich arm an Gesundheit machte. Er machte mich „arm durch den Geist“ und verheißt mir Unwürdigen dadurch die Ewigkeit im Himmelreich in seinem Antlitz.

Gott hat mich reich beschenkt.

Ich war nur zu blind und taub, um das zu erkennen.

Das Einkehrwochenende, zu dem mich der Heilige Geist geführt hat, hat meine Augen und Ohren geöffnet, um die Taten Gottes an mir zu sehen und Gottes liebende Worte zu hören.

Amen.

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